Mit den vier Bereichen der Achtsamkeit die Leerheit erkennen und erleben

Bis jetzt haben wir nur von der Achtsamkeit (sati) geredet. In der Lehre Buddhas wird die Achtsamkeit in vier Bereiche aufgeteilt (satipatthãna), mit denen wir die Leerheit aller Wesenheiten besser erkennen und erleben können.

Der erste Bereich der Achtsamkeit ist die Achtsamkeit auf den Körper (kãyãnupassanã). Wir üben bei jeder Aktivität und Situation unseren ganzen Körper bewusst zu machen, indem wir uns auf das Ein-und Ausatmen konzentrieren und erkennen, dass der ganze Körper der Träger aller Sinneswahrnehmungen ist. Wir sehen, riechen, hören, schmecken, empfinden Berührungen und nehmen geistig wahr, all dies haben wir unserem Körper zu verdanken. Gewöhnlich wissen alle Menschen, dass die Nahrung den Körper am Leben hält. Aber warum nehmen dann viele Menschen Nahrungen und Genussmittel zu sich, die den Körper kaputt machen? Wir praktizierende Buddhisten wissen, dass die Ursache beim Verlangen, Ergreifen und Anhaften usw. liegt. Darum üben wir unserem Körper bewusst zu machen, die Leerheit des Körpers zu erkennen und zu erfahren, indem wir den Körper als "Ich und Mein" nicht ergreifen und anhaften. Versteht bitte nicht falsch, den Körper als "Ich und Mein" loszulassen, bedeutet nicht, dass wir unseren Körper vernachlässigen sollen, ganz im Gegenteil. Unser Körper ist ein lebenswichtiges Werkzeug, deshalb soll dieses Werkzeug mit Sorgfalt richtig benützt und gepflegt werden. Aber wir wissen, dass dieses Werkzeug seiner Natur gemäss Tag für Tag vergeht, deshalb sehen wir ihn als leer von Beständigkeit an.

Am lebenswichtigsten für den Körper ist der Atem, wir müssen ein-und ausatmen, damit wir am Leben bleiben. Es ist ein fortdauernder Vorgang unseres ganzen Lebens, deshalb ist das Ein-und Ausatmen ein sehr gutes Konzentrationsobjekt, auch Meditationsobjekt. Wir betrachten die Abhängigkeit unseres Körpers von noch etwas weiter ausserhalb von uns. An unserer täglichen Nahrung haben sehr viele Leute gearbeitet, es fängt beim Bauern an und endet beim Koch, bis wir überhaupt essen können. Wir sehen nun, dass unser Körper von vielen Wesenheiten abhängig ist. Also ist der Körper leer vom eigenständigen Selbst, er kann niemals ohne die anderen dazu notwendige Wesenheiten allein existieren. Er ist leer von "Ich und Mein". Natürlich müssen die Wörter "Ich und Mein" zur Verständigung gebraucht werden, aber es ist eben nur eine Bezeichnung, mit der wir untereinander kommunizieren können, sonst sind "Ich und Mein" leer von allem, was wir gewohnheitsmässig ergreifen und anhaften. Leider vergessen wir, dass wir in der gewöhnlichen Weltebene leben, in der das Leben nur relativ ist, alles in unserer relativen Welt ist fortdauernd im Entstehen und Vergehen und wir leiden darunter, weil wir die Veränderung nicht verstehen und nicht akzeptieren. Es ist wie wenn wir seit unserer Geburt her in einer Mietwohnung leben würden. Um uns mit anderen Leuten verständigen zu können, sagen wir immer "Meine Wohnung". Es ist nichts falsches daran, aber wir werden sehr darunter leiden, falls der wahre Besitzer der Wohnung uns den Mietvertrag kündigen wird. Warum? Weil wir an "meine Wohnung" anhaften, die in der absolute Wahrheit uns gar nicht gehört, wir erkennen nicht, dass die Wohnung von "Mein" leer ist. Auf den Körper kontemplieren, hilft uns einfacher loszulassen, dadurch erkennen wir viel tiefer die abhängige Entstehung "unseres" Körpers. Wir erkennen und erleben die Leerheit des Körpers durch unsere täglichen Übungen.

Der zweite Bereich der Achtsamkeit ist die Achtsamkeit auf das Gefühl-Empfindung (vedanãnupassanã). Im Alltag empfinden wir unaufhörlich Gefühle der Sinnesobjekten, die wir durch unsere sechs Sinnestüren empfangen, wie oben beschrieben. Wir erfahren dadurch Sinneseindrücke, die wir als Wohlsein oder Unwohlsein, glücklich oder unglücklich, Liebe oder Hass usw. empfinden. Nach den positiven Sinneseindrücken empfinden wir Verlangen und nach den negativen Sinneseindrücken empfinden wir Abneigungen. Diese Gefühl-Empfindung, ob im Körper oder im Geist, entsteht aufgrund des Sinnesobjektes und zwar durch unser Ergreifen und Anhaften an "Ich fühle, mein Gefühl, ich habe Schmerzen, mein Schmerz, ich bin krank, meine Krankheit, ich freue mich, meine Freude, usw." Es ist nichts gegen solche Ausdrücke, aber es sind eben Begriffe, die wir zur alltäglichen Verständigung benutzen, es sind Konventionen. Aber wir sind an diesem "Ich und Mein" so sehr daran gewöhnt, sodass sich eine Art weltliche Gewohnheitsenergie in uns aufgeladen hat, die uns automatisch antreibt das "Ich und Mein" so selbstverständlich als ein Selbst zu ergreifen und anzuhaften. Wenn es dieses "Ich" nicht gäbe, dass Gefühl oder Schmerz hat, wer tut es dann? Um das zu verstehen müssen wir die Welt der absoluten Wahrheit (paramattha), die absolute Ebene, zuerst verstehen. Dieses "Ich und Mein" gibt es nur begrifflich in der weltlichen Ebene. In der absoluten Wahrheit ist dieses "Ich und Mein" als Person nur eine Zusammenhäufung von Geist und Körper. Wir haben darüber vorher bei dem Thema "Das "Ich" und "Mein" richtig erkennen und verstehen" schon detailliert gesprochen. Es sind die fünf Aggregatzustände, der Körper (rūpa), die Gefühltönung (vedanã), das Unterscheidungsvermögen (saññã), die Gestaltung oder Geistesformation (sańkhāra) und das Bewusstsein (viññãna). Sie alle sind leer von "Ich und Mein". Das heisst, wenn wir Schmerzen haben, dann nehmen wir diese Schmerzen ohne Abneigung bewusst wahr, wir empfinden die Natur der Schmerzen als Unangenehm. Die Schmerzen erfahren wir, ob wir es wollen oder nicht, so oder so. Der grosse Unterschied zu den Personen, die die Leerheit nicht kennen, ist, dass unser Geist währenddessen übt, nicht unter den Schmerzen geistig zu leiden. Das Schmerzen haben wir nur am Körper. So üben wir auch bei den anderen Gefühlen.

Der dritte Bereich der Achtsamkeit ist die Achtsamkeit auf den Geist (cittānupassanã). Durch die Praxis, wissen wir, dass der Geist in seinem Ursprung rein ist. Alle erleuchteten Personen (arahat) haben ihren Geist aufgeräumt und sind leer von Unreinheiten. Ihr Geist ist also rein. Wir die gewöhnlichen weltlichen Personen haben einen unreinen Geist. Unser Geist ist mit den Geistesfaktoren (cetasika) verunreinigt. Es ist sehr wichtig für uns praktizierende Buddhisten uns dies bewusst zu werden und zu erkennen, mit welchem Geistesfaktor wir in dem bewussten Moment zu tun haben. Es gibt 52 Geistesfaktoren (cetasika), diese 52 Geistesfaktoren werden wiederum in 3 Gruppen aufgeteilt. Die erste Gruppe enthält 13 universelle Geistesfaktoren, sie können den Geist zum Heilsamen oder Unheilsamen oder Neutral beeinflussen (verunreinigen). Die zweite enthält 14 unheilsame Geistesfaktoren, sie können den Geist nur unheilsam beeinflussen. Die dritte enthält 25 heilsame Geistesfaktoren, sie können den Geist nur heilsam beeinflussen. Sie alle haben Bezeichnungen und ihre charakteristische Eigenschaften. Darüber wird sehr ausführlich in der Sammlung der systematischen Darstellungen der Lehre (Abhidhamma-Pitaka) geschrieben. Die Abhidhamma ist wie die Landkarte unseres Geistes. Diese Lehrtexte bewegen sich in der absoluten Ebene (paramattha). Die Leute, die diesen Bereich noch nicht verstanden haben, werden mit der Abhidhamma kaum zu recht kommen. Zum Praktizieren ist es nicht zwingend alle 52 Geistesfaktoren auswendig zu kennen, es reicht zu wissen, dass es heilsame und unheilsame Geistesfaktoren gibt. Am wichtigsten ist das Bewusstwerden, was in unserem Geist gegenwärtig passiert ist, ob Heilsames oder Unheilsames am Entstehen ist. Wir müssen unsere Achtsamkeit auf den sich zusammenbrauenden Gedanken richten, dann erkennen wir, dass unser Ergreifen und Anhaften den Geistesfaktor und den Geist zum entstehenden Gedanke zusammenbrauen. Wenn wir nicht loslassen können, werden die Entstehungen der weiteren vielen Gedanken auch nicht aufhören können. In unserem Kopf wird unaufhörlich folgendes ablaufen: "Ich werde das sein, will dies und jenes haben" usw. Schlussendlich geht es nur um das "Ich und Mein" und "Werden und Sein". Die Achtsamkeit hilft uns hier die Leerheit unseres Geistes zu erkennen. Wenn wir in unserem Alltag die Achtsamkeit ausüben, werden wir erkennen, dass die Sinneseindrücke unseren Geist (citta) mit dem Geistesfaktor (cetasika) die Gedanken entstehen und vergehen lassen. Was haben wir währenddessen? Wir haben die Gefühle, entweder haben zu wollen oder abzulehnen oder nicht interessiert zu sein. Wir jagen nach und klammern an den Dingen, die wir mögen und hassen und vernichten die Dinge, die wir nicht mögen. Wenn wir keine Achtsamkeit haben, ergreifen und haften wir diese Gefühle als "Ich und Mein" an, die uns darunter leiden lassen. Darum ist es sehr wichtig hier die Achtsamkeit zu stärken. Zum Beispiel: wir haben vor in der nächsten Zeit etwas zu tun oder zu erreichen. Wenn wir hier nicht achtsam sind, wird der verunreinige Geist aus diesem einen Gedanken weitere mehrere Gedanken entstehen lassen. Das heisst, ein Gedanke vergeht und mehrere Gedanken entstehen und vergehen und viele mehrere Gedanken entstehen und vergehen wieder, es ist ein unendlicher Kreislauf von entstehen und vergehen und unterdessen leiden wir sehr, weil wir unser Vorhaben wahr werden haben wollen und doch Angst haben, dass es doch nicht so laufen würde, wie wir es gern hätten. Solange wir keine Achtsamkeit haben, werden wir mit dem Entstehen und Vergehen der Gedanken so weiterfahren. Sobald die Achtsamkeit vorhanden ist, werden wir erkennen, dass alles nur ein Gefühl des Habenwollen oder der Abneigung ist, es hat keine Beständigkeit, keinen Bezug zur Wirklichkeit, es ist nicht etwas, dass in der Gegenwart passiert ist, sondern nur eine Konzeption und Vorstellung. Das „Ich fühle" und "Mein Gedanke" benutzen wir nur zur Verständigung, aber dies als das absolute "Ich und Mein" zu ergreifen und anzuhaften, führt nur zum Leiden. Sobald wir diese Leerheit erkennen, werden wir auch erleben, wie die ganzen aufgewühlten Gedanken sich auflösen und keine weiteren Gedanken entstehen mehr. Wir haben in dem Moment den Geist gereinigt, nur durch das Lesen und Hören der Lehre Buddhas mit dem weltlichen Intellekt und Klugheit allein können wir die die Leerheit nicht erkennen und erleben, wir müssen dazu auch praktizieren. Den Zustand der Freiheit von "Ich und Mein" erreichen wir, indem wir alle Sinnesobjekte vom Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Berührungsempfindung und des Geistes als Sein(tathatã) erkennen und akzeptieren. Sie sind so, wie ihre Naturgemäss sind. Dann haben wir unseren Geist von allen Geschäftigkeiten, die unseren Geist trübten und aufwühlten, entleert. Unser Geist ist nun im ursprünglichen Zustand, er ist rein. Das ist die Leerheit unseres Geistes.

Der vierte Bereich der Achtsamkeit ist die Achtsamkeit auf die Wesenheiten (dhammānupassanã). Die Wesenheiten (dhamma) beschreiben alle Dinge des ganzen Universums, sie werden in formloser Wesenheit (nāmadhamma), das sind körperlose und geistige Wesensarten, und in körperlicher Wesenheit (rūpadhamm) aufgeteilt. Sobald wir bei einer Situation achtsam sind, erkennen wir, was wir erfahren, fühlen und wahrnehmen, sie sind alles nur "Dhamma". Ein von uns gesehenes Objekt ist eine körperliche Wesenheit (rūpadhamma), unser Begehren das Objekt zu besitzen ist eine formlose Wesenheit (nāmadhamma). Beide Wesenheiten (dhamma) haben ihre Leerheit, die erkannt werden müssen, sonst werden wir darunter leiden. Wir wissen, dass alle Wesenheiten "Dhamma" aufgrund der Ursachen und Bedingungen (hetu-paccaya) entstehen. Wir nehmen ein Objekt in einem Moment wahr, dieses Objekt ist aber aufgrund seiner Ursachen und Bedingungen in diesem Moment da, wie wir es so wahrnehmen und begehren. Nehmen wir mal an, unser Objekt ist das schmackhafte Essen. Es ist nicht schwer zu wissen, was es für Ursachen und Bedingungen geben muss, damit dieses Essen entsteht und es ist nicht beständig, weil es mit der Zeit verdorben geht. Nun erkennen wir die Leerheit unseres Essens. Dieses Essen schmeckt uns auch aufgrund von Ursachen und Bedingungen, unser Geschmacksinn ergreift den Geschmack des Essobjektes und haftet daran, weil wir daran Gefallen haben. Doch dieses Gefallen ist leer von der Beständigkeit. Würde uns das gleiche Gericht vom gleichen Koch zehn Tage lang serviert, wird das Essen uns zum Schluss nicht mehr schmecken. Der Geschmack des Essens bleibt gleich, aber unser Geschmacksinn lehnt es ab, weil unser Geist nicht beständig ist, er verlangt nach etwas anderem. Also das Essen, das Schmecken, das Nicht-Schmecken, unser Geist, einfach der ganze Ablauf sind alles nur "Dhamma", sie gehören zur Leerheit.

In allen Bereichen der Achtsamkeiten können wir das Sehen nur beim Sehen, das Hören nur beim Hören, das Riechen nur beim Riechen, das Schmecken nur beim Schmecken, die Berührung nur bei Berührung und die Geist-Empfindung nur bei der Geist-Empfindung bleiben lassen, dann kommt alles zum Stillstand. Wie ein Zen Meister sagte " werde einfach still, es ist nicht nötig etwas zu tun". Dieses Stillsein ist die Leerheit aller Dinge. Dieses Stillsein kommt zustande, indem wir erkennen:

Ist in unserem Geist Verlangen vorhanden, dann ist uns bewusst, dass gegenwärtig das Verlangen in unserem Geist ist.
Ist in unserem Geist das Aufwühlen vorhanden, dann ist uns bewusst, dass gegenwärtig das Aufwühlen in unserem Geist ist
Ist in unserem Geist Anhaften vorhanden, dann ist uns bewusst, dass gegenwärtig das Anhaften in unserem Geist ist.
Ist in unserem Geist Hass vorhanden, dann ist uns bewusst, dass gegenwärtig der Hass in unserem Geist ist.
Ist in unserem Geist Aufregung vorhanden, dann ist uns bewusst, dass gegenwärtig Aufregung in unserem Geist ist.
Usw.

Das Stillsein ist die Gegenwart, nur darin können wir loslassen. Die Bewegung ist hingegen die Zukunft und die Vergangenheit, darin pendeln wir hin und her, wir ergreifen die Zukunft und haften an der Vergangenheit. Darum befindet sich das wahre Leben, das Leben in der Gegenwart, in dem Stillsein. Natürlich darüber zu reden ist einfach, denn die Gewohnheitsenergie des Nicht Stillseins in uns ist immer noch sehr stark, aber es ist nicht unmöglich diese Methode in die Praxis umzusetzen. Mit Ausdauer und Schritt für Schritt werden wir diese Übungen meistern und die Gewohnheitsenergie des Nicht Stillseins wird auch dementsprechend abgebaut.