អង្គរ Angkor
Die vergessene Tempelstadt im Urwald
Photos und Text R.Wening
Silva-Verlag Zürich
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Veröffentlicht Khmer Kulturzentrum
Keo Chhun
Samstag, 14. Januar 2023. 9:21
ABSCHIED VON ANGKOR Wenn am Abend sich der Himmel orange färbt und die 'Wolken eine Sinfonie von Farben darbieten, dann ragen die Türme von Angkor Vat gigantisch in den Himmel, zeitlos, als wären sie nicht von Menschenhand geschahen. In den Tropen ist die Dämmerung schnell vorbei, jedes Abendrot ist nur von kurzer Dauer. Bald funkeln die Sterne, kein Ton ist zu hören, kein Licht erhellt die Dunkelheit. Je tiefer blau der Himmel ist, um so mächtiger -wirken die Tempel. Keine Amtsperson unterbricht die Stille mit einer Glocke, um zu melden, daß geschlossen werde. Jedermann, der die Tempelstadt auch bei Nacht betrachten möchte, hat freien Zutritt.
Es liegt ein eigenartiger Zauber darin, die Ruinen bei Mondschein zu besuchen. Alles wirkt größer, gigantischer, unwahrscheinlicher, man ist per Du mit den braven Geistern, die hier wohnen sollen. Doch man erschrickt, wenn die Fledermäuse in den Kuppeln der Türme kreischen und sich streiten. Den eigentlichen Zoll für eine abendliche Visite verlangen die Moskitos, sie helfen jedermann, aus dem Traum in die Wirklichkeit zurückzufinden. Noch schöner gestaltet sich ein nächtlicher Besuch mit Fackeln, deren Rauch die Mücken vertreibt.
Schon vor vierzig Jahren hatte mich der damalige Konservator, der Archäologe Henri Marchal, zu einem Nachtbesuch der Ruinen von Angkor eingeladen ; auch seine Gattin und die Tochter begleiteten uns.
Seine Diener hatten aus Kienholz, Harz und Bast Fackeln hergestellt. Nach Sonnenuntergang fuhr man mit einem Auto auf guter Straße in den dunkeln Wald. Vor dem Tempel «Ta Prohmw» wurde angehalten, worauf man die Fackeln anzündete. Erst brannten sie mit kleinem Feuer, doch bald hatte jeder Teilnehmer ein großes flackerndes Licht in der Hand. Sodann führte uns Herr Marchal auf kleinen Wegen durch die riesengroße Ruine. Im Gänsemarsch kamen wir in dieses Zauberland. Obschon ich die ganze Anlage kannte, war der Eindruck im künstlichen Lichte fremd, man glaubte sich in eine mächtige Grotte versetzt. Statt Stalaktiten sah man Bäume und Freiplastiken, die aus dem. Dunkel aufleuchteten, man fürchtete Leben zu sehen. Erhellt war ja nur die allernächste Umgebung, und so wirkte alles räumlich geschlossen. Die Plastiken erschienen viel mächtiger, die Figuren in den Reliefs machten den Eindruck, als wollten sie die Wand verlassen, sie alle hatten ein magisches Aussehen. Besonders (127) die Freiplastiken waren vor dem dunkeln Hintergrund prachtvoll anzuschauen. Tagsüber kommt das Licht von oben, doch des Nachts erhalten die Plastiken durch das Fackellicht eine Beleuchtung von unten oder von der Seite, und so gewinnen die Gesichter der Steinfiguren einen unbekannten, neuen Ausdruck. Ihr Charme wird noch verstärkt, alle spiegelt eine magische Atmosphäre.
Unsern Gedanken gaben -wir freien Lauf, sie wanderten zurück in die Zeit der Khmer. Man glaubte jeden Augenblick, eine Prinzessin oder den König selbst im Ornat aus dem Dunkel erscheinen zu sehen. Doch nur die Figuren auf den Reliefs meldeten sich. In dieser Beleuchtung waren sie viel plastischer, so, als wollten sie mit uns sprechen. Die schönen Apsaras, die Tänzerinnen, die ewig auf den Säulen rhythmisch sich bewegen, sie schienen ihr Lächeln zu vertiefen, als amüsierten sie sich über die leise Angst der Besucher. Wir hörten nur unsere eigenen Stimmen; die Fledermäuse waren verschwunden. Aus allen Ecken drängten sich aus dem Gemäuer Wurzeln, die wie lebendige Schlangen alles abtasteten und sich durchzwängten, beängstigend in ihrer zerstörenden Arbeit, ergreifend in der Tragik. In dieser Beleuchtung war ihr Würgegriff noch schmerzvoller, man glaubte Hilferufe zu hören.
In einem Hofe leuchteten fahr die Stämme der großen Bäume; sie schienen zu sagen: «Da ist unsere Welt, du hast hier nichts zu suchen l ». Langsam verlöschten die Fackeln, immer kleiner wurde ihr Licht, doch immer mächtiger kam das Glücksgefühl über uns, ein großes Schauspiel in dieser Ruinenwelt erlebt zu haben. Noch heute sind diese farbigen, flackernden Bilder voller Leuchtkraft in meiner Erinnerung.
Jede Reise nimmt ein Ende, und so verlassen auch wir Angkor mit dem Gefühl im Herzen, etwas Großartiges und herrliches erlebt zu haben.
Ein Wermutstropfen ist jedoch dabei, denn wir können es nicht verstehen, daß ein Volk, das solche Tempel schuf, zugrunde gegangen ist. Nur einige Jahrhunderte waren ihm beschieden gewesen; eine Epoche von wahrhaft gottbegnadeter Entwicklung. Gleich einem Meteor, der alles erhellt und hernach im Dunkel verschwindet. Wie seine Spur am Himmel, so leuchten diese Steinbauten und Plastiken auch in Museen. Mögen sie erhalten bleiben, damit noch recht viele Menschen dieses Leuchten in Angkor miterleben könnens Viele Vermutungen wurden geäußert, was wohl den Untergang des Khmer-Volkes verursacht habe. Bald schob man die Schuld auf die Thai, die als Sieger nach altem Brauch mitlaufen ließen, was nützlich war, und den Rest zerstörten. Als zweite Ursache für den Untergang der Khmer wurden Pest, Cholera und Malaria bezeichnet. Solche Epidemien können die Reihen jeder Bevölkerung stark lichten und ein Volk zur Auswanderung veranlassen. Es ist jedoch keine Überlieferung vorhanden, welche diese Möglichkeit begründet.
Die dritte Variante, die sehr stichhaltig ist, glaubt, daß das unglückliche Zusammentreten verschiedener Katastrophen den Untergang der Khmer besiegelte. Jayavarman VII. regierte 38 Jahre lang. In dieser Zeit wurde das Land mit Riesenschritten hochgebracht. Bauten entstanden, Banteay Kdei, Preah Khan, Ta Prohm, Banteay Chmar, Bayon, die königlichen Terrassen, die Stadtmauer, Kanäle usw. Angkor Vat wurde fertig erstellt, die Cham wurden unterworfen, drei Viertel von Siam standen unter der Herrschaft der Khmer. Jayavarman VII. war nicht nur ein großer Krieger und Staatsmann, er war auch ein unersättlicher Bauherr. Alle Zügel des Staatswesens, die er in Händen hatte, führte er mit Energie und erreichte so einen Höhepunkt der Leistungen seines Volkes, den man bei keinen Vorfahren oder Nachkommen kannte. (129) Sein Volk konnte sich jedenfalls nicht über Arbeitsmangel beklagen. Nach dem Tode dieses Gottkönigs waren seine Untertanen flügellahm. Kaum bemerkten dies die Thai und auch die Cham, so lösten sie sich von der Oberherrschaft und der Unterjochung. So verlor das Volk der Khmer an Ansehen und das Vertrauen zu ihrem König. -- Vielleicht ist der Fehler auch bei den späteren Herrschern zu suchen, die kein Talent zum Regieren hatten, denn Lauheit und Charakterschwäche eines Königs führen unweigerlich zum Zerfall und Untergang eines Volkes.
Als ein Nachfolger von König Jayavarman VII. glaubte, daß ihm Buddha in der Staatsführung kein Glück bringe, führte er wieder den Hinduismus ein, doch hat er mit die- sem Religionswechsel nicht viel erreicht, das Staatsschiff war im Sinken. Ein großer Teil der Wassergraben verschlammte und war ohne Wasser; es fehlten die Kriegsgefangenen, um die Riesenarbeit der Instandstellung der Zuflüsse auszuführen. Es kamen Jahre von großer Trockenheit; alles schien sich gegen das Königreich verschworen zu haben.
Inzwischen waren die Siamesen wieder stark geworden und rüsteten zum Krieg. Zweimal drangen sie in Angkor Tom ein, und dies genügte, um im Volke der Khmer den Glauben an ihren Gottkönig ins Wanken zu bringen.
Vielleicht waren Stadt und Land völlig zerstört, alles lag in Rauch und Asche; keine Schrift berichtet über das Ende der größten und schönsten Stadt Hinterindiens. Auf dem Wege zurück nach Phnom Penh kamen wir am Grand-Lac vorbei. Hier war der große Fischreichtum, der jedes Jahr vom Meer heraufkam und von den Khmer durch Kanäle in ihre Reservoirs geleitet wurde. A.lle diese Wasserläufe waren nun zerstört. Da fanden dazumal die Seeschlachten gegen die Cham statt. Auf diesen Wellen feierte das glückliche Volk auch Wasserfeste, wo Tausende von Menschen in blumengeschmückten Booten gondelten.
Im Jahre 1431 steuerte eine königliche Barke von Angkor nach Phnom Penh, mit diesem Boot flüchtete der Monarch aus seinem Lande. Das schöne und mächtige Khmer-Reich versank in Vergessenheit.
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