14. Feste

An Hand der wenigen Überlieferungen, die vorhanden sind, kann man doch rekonstruieren, daß die Khmer nicht nur arbeiteten, sondern auch verstanden, schöne Feste zu feiern. Vor allem erzählen uns die Steinreliefs, auf welchen viele Mädchen, schön bekleidet und mit schwerem Geschmeide behängt, .Ballett und Theater vorführen. Wie viele Tänzerinnen am Hofe waren, ist schwer festzustellen, doch dürfte ihre Zahl einige hundert betragen haben, denn der klassische Tanz gehörte zum Leben der Khmer wie der tägliche Reis. Noch heute wird das Ballett in Kambodscha gepflegt. Sehr schön sind die jungen Mädchen, ihr Körper ist gut proportioniert, in den Bewegungen sind sie grazie und haben außerordentlich viel Liebreiz.

Die Darstellungen sind immer Geschichten aus der Sagenwelt des Ramayana, dem indischen Götterepos. Im Theater sowie im Tanz ist die Pantomime zur vollendeten Kunst ausgebildet worden ; das Orchester dürfte auch dazumal dieselben Instrumente aufgewiesen haben, wie wir sie heute noch vorfinden. Eine Art Xylophon mit Bambushölzern, Glocken- und Gongspiel, Saiteninstrumente, Schalmeien ähnlich wie Fagott und alle Größen von Pauken und Trommeln. Sehr oft wird zur Musik gesungen, meistens von einer Frauenstimme, welche die Geschichte des dargestellten Tanzes in Worte kleidet. Blechinstrumente sind neueren Datums und dürften dazumal unbekannt gewesen sein.


Die heutigen Apsaras. Kambodschanische Tanzgruppe, Tänzer und Tänzerinnen werden von Mädchen dargestellt

Eine Änderung hat sich in neuerer Zeit ergeben: das Kostüm der Tänzerinnen. Auf allen Reliefs haben die Devatas und Apsarasp diese grazilen weiblichen Figuren, einen freien Oberkörper. Goldene Ketten, Armspangen, Halsbänder, Diademe, all dieser (93) Schmuck ist vorhanden, doch das Schönste ist ihr schöngewachsener Körper. Jedes Mäd- chen, jede Frau war stolz auf dieses Gottesgeschenk. Sie wussten, daß auf keinem Brokat, auf keiner Seide Perlen und Goldschmuck schöner zur Geltung kamen als auf ihrer bronzefarbenen Haut. Dass die Vorführungen der Tänze nicht nur am Tage, sondern auch bei Nacht stattfanden, war schon der kühleren Temperatur wegen angezeigt. Beleuchteten Tausende von Öllichtern das Schauspiel, dann waren auch keine Moskitos vorhanden. Eine Überlieferung von chou Ta-Kuan besagt, dass anlässlich eines Festes in Angkor 2300 Priester anwesend waren und 600 Tänzerinnen mitwirkten ; 2200 Diener sorgten für das leibliche Wohl der Gäste. 165 000 Öllampen waren erforderlich, um Angkor Vat zu beleuchten. Wer die Architektur dieses Tempels genauer betrachtet, (94)bemerkt, dass nicht nur die Basis, sondern auch die Türme horizontal gegliedert sind. Dies ermöglichte die Anbringung von Öllämpchen bis in die höchsten Spitzen der Kuppeln. Und nun lasse man im Geiste den Haupttempel mit seiner prachtvollen Silhouette durch hunderttausend Lämpchen aufleuchten, ein Bild von ergreifender Schönheit, ein Zauber, dem wir nichts Ebenbürtiges zur Seite stellen könnten. Diese edle Architektur, die gigantische Größe, die magische Beleuchtung vor dem dunkelblauen Nachthimmel und nur die Sterne als Baldachin zu diesem Feste, alles trug dazu bei, die Herzen des Volkes höher schlagen zu lassen.


Apsaras sind göttliche Tänzerinnen, ein beliebtes Motiv der Bildhauer, wenn im Ornament Bewegung notwendig war.

Khmer-Könige ließen nicht nur solche Traumnächte aufleuchten, sie veranstalteten auch Feste, wobei der Mensch die Hauptrolle spielte. Vor der großen Wiese war ja die (95) königliche Tribüne, eine Terrasse, auf welcher Tausende von Menschen den Festplatz überblicken konnten. Hier wurden alle Arten von Vorstellungen gegeben, Tanz, Spiel Rennen, auch Elefantenrennen und Elefantenkämpfe sind hier ausgetragen worden. Kampfspiele sind noch heute beliebt; besonders Hahnenkämpfe konnte man in jedem Dorfe vorfinden. Verschiedentlich sind sie auf den Steinreliefs in Angkor abgebildet. Auch damals wie heute wurden Wetten abgeschlossen, und sehr oft wechselten hohe Beträge ihre Besitzer. Ferner mussten für den Zweikampf auch Stiere oder zwei Eber in die Arena, und nicht zu vergessen sind die siamesischen Kampffische.

Ein weiteres Gebiet, das viel Freude machte, waren die Wasserfeste. In Angkor sind drei künstlich.ie Seen, dazu der 200 Meter breite Wassergraben um Angkor Vat, der- zwölf Kilometer lange Stadtgraben um Angkor Tom, also viele Stellen, die geeignet waren, großangelegte Bootsfeste und Umzüge durchzuführen. Zudem gab es schon dazumal ein Fest, bei welchem jeder Khmer sein kleines Floß oder Boot, mit Kerzen bestückt, auf dem Wasser treiben ließ. Wenn wir an die Einwohnerzahl von Angkor denken - über eine Million --, dann kann man sich auch das prächtige Bild ausmalen, das Hunderttausende von brennenden Kerzen auf dem Wasser schaukelnd hervorzauberten. Oft standen die Kerzen inmitten von künstlichen Blumen aus buntem Seidenpapier, was das Farbenspie] noch verschönerte. Dann gab es Wettrudern, Mannschaftskämpfe mit gepolsterten Stoßstangen, wobei sich die Besatzungen gegenseitig vom Boot zu stoßen versuchten. Ganz besonders malerisch war die Fahrt des Herrschers mit seinen vergoldeten Prunkbooten, wenn er sich seinem Volke zeigte. Diese Schiffe waren sehr lang und benötigten bis zu hundert Ruderer. Dass bei diesen Festen auch die Musik zum Gelingen beitrug, ist selbstverständlich.

Bis zum Beginn des 11. Jahrhunderts war der brahmanische Festkalender maßgebend; wir brauchen nur die verschiedenen Feiern der Hlindus in Indien aufzuzählen, um die Feste der Khmer zu kennen. Später kamen die buddhistischen Feiern dazu. Jedes Kloster hatte sein eigenes Wiegenfest. Das schönste Gedenken, das alle feierten, war die Geburt Buddhas. Zu erwähnen sind noch folgende Feste : Beginn der Regenzeit, Allerheiligen -- Beginn des Pflügens der Reisfelder -- und als Abschluß das Erntefest. Groß aufgezogen wurde der Geburtstag des Königs. Wenn wir noch alle Feste der Brahmanen dazuzählen, dann war das Jahr gut versehen mit festlichen Tagen.

Umzüge mit der Teilnahme von Adeligen oder gar mit dem König, wobei .Elefanten im Ornat, Pferdewagen und Sänften zu sehen waren, begleitet mit Ehrenschirmen und Fahnen, dazu die farbigen Trachten der Dienerschaft -- all diese Korsos gehörten auch zum Festbetrieb der Khmer.

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Dies ist der Gruß, der jedem Tanz vorangeht. Zurzeit kann man in Angkor Vat
zweimal per Woche diese Gruppe tanzen sehen.

Militärische .Heerschauen: Wie aus der Geschichte hervorgeht, ist das Land der Khmer durch Kämpfe und Kriege, mit siegreichen Schlachten groß geworden. Um die Heimkehr (96) der Truppen würdig zu gestalten, war in der Stadtmauer ein Siegestor eingebaut worden sowie eine Siegesallee, welche direkt zum großen Festplatz führte, wo der König auf einer Terrasse inmitten des ganzen Hofes, seiner Minister und Würdenträger die Sieger erwartete. Sich einen solchen Einzug in der Phantasie vorzustellen, ist nicht notwendig, denn auf den riesigen Reliefs von Angkor Vat ist das Defilee der Fußtruppen, der Reiterei und deren Kommandanten auf ihren Reittieren prachtvoll wiedergegeben. Die Durchschlagskraft des Heeres bestand vor allem in der Anzahl der Elefanten. Grandios musste das Bild sein, wenn Tausende von Kriegselefanten -- eine lebende Walze -- nach dem Sieg mit buntgekleideten Reitern heimkehrten, ausgerüstet mit funkelnden Waren. Die Kommandanten ritten auf schönen Tragsätteln mit Ehren schirmen (97) und Sonnenschutz; das' Fußvolk trug Standarten, Wimper und Fächer; kurz, es war ein Schauspiel von ergreifender Schönheit.

Erntefest: Ich glaube, es gibt kein Volk auf Erden, das nicht das Bedürfnis hat, dem Schöpfer für die Ernte zu danken. Reis war ja die Hauptnahrung der Khmer, und so wurde das Einbringen der Garben gefeiert.

Diese Feste werden noch heute in allen Ländern Ostasiens durchgeführt. Im kleinsten Dörfchen werden Tempel und Straßen mit Blumen und Girlanden geschmückt. Auch Feuerwerk war dazumal schon bekannt, ob von den Chinesen eingeführt oder selbst hergestellt, diese Frage bleibt offen. Jedenfalls stiegen Raketen gegen den Himmel. Schwärmer jeden Formates krachten bei Tag und bei Nacht, als Dank für die lieben Götter, die den Regen und den Sonnenschein brachten und den Reis wachsen und reifen Liessen.

Die Gelegenheit zu feiern mangelte in keiner Weise. Nach harter Arbeit sind Feste der beste Ausgleich, um mit seinem Schicksal zufrieden zu sein.

Hochzeitsfeiern; Wo gibt es keine Hochzeitsfeste? Auch bei den Khmer richtete sich je nach Wohlstand und Rang die Anzahl der geladenen Gäste. Hier jedoch unterscheiden sich die Sitten insofern von den unsrigen, als zu den geladenen noch eine Menge ungeladener Gäste hinzukommen. Heiratet ein Mann von Rang, dann hat er auch die ganze nachbarliche Bevölkerung einzuladen. Er engagiert Theatertruppen Ballettmädchen, auch Schattenspiele werden aufgeführt. Jedermann ist freundlich willkommen und kann zuschauen. Auch wird eine große Reisküche aufgestellt, wo sich die Anwesenden auf Kosten des Bräutigams verpflegen können. Bei Buddhisten wird kein Alkohol ausgeschenkt; beim Teetrinken weiß jeder, wann er genug hat. Daher können solche Feste vierundzwanzig Stunden dauern, ohne auszuarten.

Totenfeiern: Ganz groß ist der Aufwand für die Totenfeiern der Mitglieder einer könig- lichen Familie. Wie überall im Osten, von Indien bis nach China, werden die Begräbnisse oder Kremationen mit größtem Pomp und Zeitaufwand abgehalten. Sicher haben auch die Khmer bei diesen Gelegenheiten alles aufgewendet, um eine Feier von märchenhafter Pracht zum Andenken an den Verstorbenen durchzuführen. Auch heute noch werden in Kambodscha und in Siam die Totenverbrennungen mit großartigen Feiern verbunden. Dass diese Kremationen bei den Khmer großes Ausmaß hatten, beweist wohl die Vermutung der Archäologen, welche Angkor Vat, diesen Riesentempel, als Mausoleum bezeichnen. Auch ist ja bekannt, das viele große Herrscher dem Totenkult und besonders ihrer eigenen letzten Ruhestätte eine Wichtigkeit beimassen, die an Wahnideen grenzte. Wenn dann gar ein Monarch sich Gottkönig nannte, sich als Gott, zumindestens als Halbgott fühlte, dann bekam seine Totenfeier ein Ausmaß, über das -wir uns kaum eine Vorstellung machen können. Zudem starb ein Khmer nicht (98) in unserem Sinne; er vertauschte ja nur sein irdisches Leben und wurde in anderer Form neu geboren. Bei den Khmer hat der Tod nicht dieses unheimliche Abberufen, das wir mit großer Trauer umgeben; ihr Sterben ist ein Eingehen in eine schönere Welt. Und so dürfen wir annehmen, dass die Kremation eines Königs das größte und schönste Fest war, das zur Blütezeit der Khmer in Angkor zu sehen war.