11. Khmer-Plastik

Die ältesten Khmer-Plastiken stammen aus dem 6. Jahrhundert, also aus einer Zeit vor der Gründung des Khmer-Reiches in Angkor. Es sind indische Gottheiten, stark stilisierte, prachtvolle Steinplastiken. Die Kunst der-Bildhauerei muß den Khmer angeboren gewesen sein, denn die vielen Tausende von Steinplastiken und auch Bronzefiguren bedingten ein Heer von Bildhauern. Wahrscheinlich machten sie ihre Lehrzeit in den Klöstern, denn das ganze Kunstschaffen war der Religion geweiht, sind doch fast alle überlieferten Kunstwerke Götterstandbilder. Stein und Bronze, Silber und Gold sind das dafür verwendete Material.

Als Stein finden wir fast durchweg Sandstein von graugrüner Farbe sowie einen rötlichen in Banteay Srei. Auch wurde ein graublauer Hartsandstein, besonders für Stelen, verwendet, der die feinziselierte Schrift bis auf den heutigen Tag erhalten hat.

Neben den figürlichen Darstellungen in der Khmer-Plastik gehören auch Tiere
zu den beliebten Motiven: Stier, Elefant, Löwe und Naga (Kobra).

Eine grosse künstlerisch Leistung, die stilisierte siebenköpfige Naga. Immer sie als Balustrade verwendet.

Archäologen und Kunstforscher haben die Plastik der Khmer in verschiedene Stile eingeteilt. Bis zum 10. Jahrhundert werden die Arbeiten von Kulen, Roluos und Bakheng als «Khmer-Kunst» bezeichnet. Spätere Plastiken aus den Tempeln Koh Ker, Banteay Srei, Kleang, Baphuon, Angkor Vat und Bayon sind in die angkorianische Kunst eingereiht. Im Kunsthandel wird sie als eigentliche «Khmer-Klunst» angegeben. Sehr oft wurden die Steinplastiken am Aufstellungsort ausgehauen. Die Blöcke kamen also aus dem Bruch den etwa vierzig Kilometer weiten Weg per Boot oder Karren, und wurden in die Architektur eingebaut und dort bearbeitet. Was Rundplastiken anbetrifft, so konnten dieselben auch im Steinbruch zugehauen werden. .Als Werkzeug dienten Meißel und Bohrer, wie -wir sie heute noch benützen. Besonders für feine Reliefs machte der Steinbohrer die Hauptarbeit. Die Umrisse der Figuren wurden auf den zugehauenen Steinblock gezeichnet, Vordem- und Seitenansicht und in geraden Flächen ausgehauen. Dann konnten die feinen Details neu aufgezeichnet werden, und die Ausarbeitung oder das Herausschälen der Formen konnte beginnen. Keine Plastik gleicht einer andern, weil jede neu aus einem Block gehauen wurde und jeder Bildhauer soviel Freiheit hatte, seinen Schönheitssinn im Stein zu verwirklichen. Die Qualität der Plastiken ist daher verschieden, doch in erster Linie war die Zeitepoche maßgebend für das künstlerische Können.


Unendlich ist die Zahl dieser Devatas, das sind göttliche Nymphen,
Einfach im Kostüm, jedoch viel Schmuck und gewaltige Diademe.

Eine Überlieferung besagt, dass auf jeden im Kampfe gefallenen Krieger im Himmel ein solche Göttin wartet.

Einst waren die Khmer-Buddhas ebenso schön aufgestellt wie diese Bronzestatue in Thailand.

Wie bei den Ägyptern, Griechen, Römern und bei den Chinesen, so sind diese Plastiken sehr oft mit Farbe behandelt worden. Dieses Bemalen und Vergolden entspricht einem tiefverwurzelten Empfinden, um den Ausdruck der Plastik zu verstärken. Bronzegüsse wurden immer geschliffen und poliert, so daß auf dem Metall Glanzlichter spielten. Auch Riesenstatuen wurden in purem Golde gegossen, ist doch vor kurzer Zeit ein großer Goldbuddha in Siam zum Vorschein

gekommen, mit einem Gewicht von über einer Tonne, was einem Metallwert von fünf Millionen Schweizer Franken gleichkommt. Alle diese Güsse waren im Wachsausschmelz-Verfahren ausgeführt.

Trotz Buddhismus blieben viele Motive aus der Hinduzeit, und die Begleittiere der indischen Götter wurden immer wieder verwendet. Löwe, Elefant und Stier behielten die Zuneigung des Volkes, und ganz besonders die Naga spielte bei jedem Tempelbau eine Hauptrolle. .Als Balustrade, das Haupt wie eine Kobra erhoben, wirkt sie grandios. Tausende von Flachreliefs zieren die Wände; unendlich ist der Reigen, den die Apsaras und Devatas, diese göttlichen Tänzerinnen und engelartigen Gottheiten, darstellen.Viele große Statuen wurden dazumal von Adeligen einem Tempel geschenkt, zum An- denken an einen lieben Verstorbenen. Mitten im Sockel wurden seine Asche, Schmuck und Wertsachen beigesetzt. Doch schon vor Jahrhunderten kamen Tempelschänder, warfen die Statuen von den Sockeln, um zu den Wertsachen zu gelangen. Daß dabei die meisten Figuren in die Brüche gingen, liegt auf der Hand. Für gute Khmer Plastiken besteht ein Ausfuhrverbot, doch inzwischen hat sich eine neue Industrie entwickelt, man verkauft Nachbildungen; diese unterliegen dieser Bestimmung nicht und bringen Devisen ins Land.


Uralt wie die Ruinen ist auch der Eindruck dieser Sandsteinplastiken, Schon vor Hunderten von Jahren
wurden sie von Tempelschändern umgeworfen, um die im Sockel beigelegten Goldbeigaben zu rauben.