អង្គរ Angkor
Die vergessene Tempelstadt im Urwald
Photos und Text R.Wening
Silva-Verlag Zürich
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Veröffentlicht Khmer Kulturzentrum
Keo Chhun
Samstag, 15.October 2022. 9:11
Wie muß der erste Europäer gestaunt haben, als er der Türme von Angkor Vat ansich- tig wurde! Vielleicht hat er sie von der Stelle, wie im Bilde nebenan, gar nicht sehen können, denn sie waren ja von Gestrüpp eingewachsen und ganz vom Urwald umgeben. Trotz der großen Rodung um den Tempel, die schon vor fünfzig Jahren stattgefunden hat, ist der Riesenbau doch noch im Urwald eingebettet. Die Waldwege wurden durch schöne Straßen ersetzt, und schon lange kann man per Auto bis vor die Dammbrücke fahren, die zum Haupttor führt.
Um das ganze Areal von Angkor Vat ist ein Wassergraben angelegt, Umfang 6 Kilometer und 220 Meter breit. Seinerzeit war der Wasserstand drei bis vier Meter hoch, und das Wasser spendete der Fluß Siem Reap, vom Kulen herkommend, dem Berge,
der das Baumaterial für Angkor lieferte. Nach dem Überschreiten der großen Dammbrücke erreicht man das Hauptportal der Umfassungsmauer. Diese Mauer ist zum größten Teil eingestürzt. Die Abmessungen des Portals sind der Tempelanlage angepaßt, das heißt 250 Meter breit mit drei Toren in der Mitte und je einem Durchgang an beiden Seiten. Die mittleren Tore werden durch Türme gekrönt. Beide Seitenflügel sind als lange Kolonnaden ausgebaut, in welchen Statuen aufgestellt wurden. Die Rückwände der Ostseite zeigen feine Ornamente und Relieffiguren. Das Ganze bietet einen großartigen Eindruck.Durchschreitet man das große Tor, so öffnet sich der Blick auf den Haupttempel. Edel und erhaben steht das Bauwerk in prachtvollen Proportionen da. Gleich einem Choral in architektonischen Formen, ein grandioses Bild. -- Eine 350 Meter lange plattenbelegte Straße führt zum Zentralbau. Auf beiden Seiten schützen Nagas diesen Weg. Als König der Schlangen hat sein hocherhobenes Haupt sieben Köpfe, die aus einem kobraartigen Schilde herauswachsen. Immer größer und höher wird Angkor Vat und immer breiter die große Galerie der ersten Terrasse. Hinter diesem Säulengang befindet sich das längste Relief der Welt mit einer Länge von 600 Metern und zeigt das kämpferische Leben der Khmer sowie deren Verbundenheit mit dem Vishnu-Kult.
Das ganze Heer defiliert: Fußtruppen, Reiterei, Elefanten mit ihren Heerführern, auch der König wird :mit fünfzehn Ehrenschirmen abgebildet. Darauf folgt das Jüngste Gericht, wobei der Gott Yama die Guten von den Bösen trennt. Die einen kommen in den Himmel, die andern in die Hölle. Die meisten Besucher zeigen ein großes Interesse für die Darstellung der Hölle, denn hier werden die schrecklichsten Foltern vorgeführt. Oben im Nirwana sitzen viele Frauen gelangweilt herum. Scheinbar herrscht Platzmangel, denn die Adeligen beanspruchen auch hier viel Raum. Es folgen Motive aus den indischen Göttersagen. In schönster Linienführung sind die Figuren dargestellt, auch erscheinen Hanuman, der Affengott, und ein Heer von Apsaras göttlichen Tänzerinnen, die im wunderbaren Rhythmus zu Tausenden in den Wolken schweben. Jede Reihe dieser Reliefs wird von den Eingeborenen mit den Fingern abgetastet, und dies erzeugt auf dem Sandstein eine Patina; oft sieht es aus, als hätte der Stein eine Politur. Sehr eindrucksvoll ist die Wiedergabe des Königs auf seinem Elefanten, umgeben von Königinnen und Hofdamen. Auch sein Name ist eingraviert: Suryavarman II. sowie sein zweiter Name: Paramavishnuloka .
Hernach kommen aus den Sagen des Ramayana viele Szenen, ebenso aus Brahmanen- Legenden, wobei Vishnu eine Hauptrolle spielt. Stets siegt er dabei über die Dämonen. Ein Relief von 60 Metern Länge stellt die Legende vom Buttern des Milchmeeres dar, wobei auf der einen Seite die Dämonen, auf der andern die Götter am Seil ziehen. Dieses Seil wird immer durch den Schlangengott dargestellt. Nach der Sage konnte nach tausend Jahren aus dem Milchmeer eine Göttin auferstehen. Viele Gottheiten sind mit ihren Begleitern -- meist einem Tier -- dargestellt. An erster Stelle sind zu nennen
Auf einer Darstellung sieht man den Riesen Viradha, wie er die schöne Sita raubt. Besonders in künstlerischer Hinsicht findet man hier wunderbare Kompositionen, die das hohe Können der damaligen Künstler beweisen.
Nach diesem Rundgang kommen wir zu den Hallen mit vier Bädern. Hidus benötigen für ihre religiösen Riten Badegelegenheiten. Die erste Reinigung findet im großen Wassergraben am Hauptportal statt. Es folgen weitere Reinigungen in den beiden Teichen links und rechts der Hauptallee.
Alle Bäder im Zentralbau werden durch Regenwasser gespiesen, das von den Dächern zugeleitet wird. (64).
In den Hallen beim dritten Bade wurden die herumliegenden Plastiken -- über zweihundert Buddha-Statuen -- zusammengetragen und aufgestellt. Bei der großen Reinigung und teilweisen Instandstellung des Tempels wurden diese hier provisorisch magaziniert. In nächster Nähe findet man auch an der Decke und an den Kapitälen die letzten Reste von Malereien, denn das ganze Innere war einst bemalt, was den wohnlichen Eindruck erhöhte. Zudem waren ja seinerzeit auch Teppiche und Vorhänge vorhanden, so daß man sich mit etwas Phantasie die Schönheit und den Zauber dieser Hallen leicht vorstellen kann. Eine prachtvolle architektonische Leistung sind die Treppenaufgänge (65) von der ersten zur zweiten Terrasse. Immer steiler werden die Treppen. Wenn man die dritte Terrasse ersteigen will, kann man den Fuß nur noch quer auf die Stufen stellen. Doch sind eiserne Handläufe angebracht, so daß auch ängstliche Besucher die letzte Höhe erreichen können. Von hier aus öffnet sich eine phantastische Rundsicht über den Urwald und die ganze Tempelanlage.
Das Durchwandern der Innenräume auf der dritten Terrasse ist bedrückend, denn die meisten Nischen sind heute leer, die Freiplastiken fehlen, und zudem geben Tausende von Fledermäusen, die sich um ihre Schlafplätze in den Türmen streiten, mit kreischenden Stimmen ein unsympathisches Konzert. Doch die Zimmer mit ihren durch Steinsäulen gesicherten Fenstern sind sehr schön. Trotz fehlendem Mobiliar ist der Eindruck wohnlich und die Aussicht durch diese Rundstäbe unglaublich faszinierend. Schön ist das Lichtspiel der Sonne, die lange Schatten auf die Wände zaubert.
Dank breiter Gesimse kann man auch an den Außenwänden herumgehen. Man hat dabei Gelegenheit, aus nächster Nähe die Devatas, in Stein gehauene Relieffiguren, zu betrachten. Sie sollen dem Besucher die Nähe des Himmels übermitteln. Diese Mädchen sind reich mit Schmuck behängt, aber das Bizarrste ist ihr Kopfputz und die Vielfalt ihrer Haartrachten. Diese Frisuren dürften dazumal von der Frauenwelt getragen worden sein, denn im Wohlstand hat man Zeit, extravagante Haartrachten aufzubauen und diese mit Diademen zu schmücken.
Leider haben die Jahrhunderte vielen Plastiken die Feinheit der Formen genommen, und oft ist der Eindruck nur noch ein Schatten der einst vorhandenen Schönheit. Noch höher gehen die fünf Türme, deren mittlerer der höchste ist und das Heiligtum von Angkor Vat in sich tragen soll.
Angkor Vat ist das Werk eines Architekten, dessen Namen wir nicht kennen. Bekannt ist nur der Erbauer, König Suryavarman II. Er ließ den Entwurf herstellen und war somit der geniale Bauherr. Seine Regierungszeit dauerte von 1113 bis 1150, somit dürfte der Beginn des Baues von Angkor Vat auf die Zeit von 1120 fallen. Der Tempel war Vishnu geweiht und sollte zu Ehren dieser hinduistischen Gottheit alles übertreten, was frühere Könige errichtet hatten, und zugleich Vishnu über die andern brahmanischen Gottheiten, Shiva und Brahma, stellen. Es besteht auch noch eine andere (67) Version : die ganze Anlage sollte das Mausoleum für die Asche des königlichen Erbauers werden. Leider erlebte er die Fertigstellung seines Werkes nicht. Seine Nachfolger förderten den Bau, doch erst König Jayavarman VII. vollendete das Projekt. Dieser kam im Jahre 1181 auf den Thron, und etwa 1190 dürfte Angkor Vat in seiner ganzen Pracht fertig erstellt worden sein.
In einer Beschreibung des Chinesen zhou Ta-Kuan erzählt dieser von der überwältigenden Schönheit dieses Bauwerkes. Die Kuppeln, deren mittlere 65 Meter emporsteigt, seien vergoldet gewesen. Noch ein Streiflicht über das Entstehen der Grundform von Angkor Vat. Das Geheimnis ist so einfach und doch so einleuchtend, daß ich eine Skizze beifüge. Der schöne Aufbau, das Ebenmaß .dieses Tempels ist auf Hilfslinien zurückzuführen, die nur auf den Plänen eingezeichnet sind. Sie verleihen dem Bau die große Ruhe. Leichte Ketten, die horizontal aufgehängt werden, ergeben schöne Bogenlinien, besonders, wenn ein Ende höhergehalten wird. Mit diesem Hilfsmittel läßt sich an einer senkrechten Wand eine Tangente ziehen, und nun werden die Spitzen der Türme diesem Bogen angepasst. Weitere Bögen dienen für andere Hauptpunkte in der Architektur. Dadurch erhält der Gesamtbau eine Harmonie, die jeden Beschauer fasziniert.
König Jayavarman VII. war Buddhist und erklärte den Buddhismus zur Staatsreligion, somit wurde der begonnene Tempel einem neuen Gott geweiht, und neue Plastiken entstanden. Die bereits ausgeführten Vishnu-Statuen und Reliefs der alten Religion wurden nicht beseitigt, aber die neuen Bildnisse wurden zu Ehren Buddhas erstellt. (68) .
Eine enorme Zahl von diesen Statuen schmückte einst diesen Tempel; über dreihundertfünfzig sind hier heute noch zu finden, ebenso viele sind im Schutt untergegangen oder haben ihren Weg in Museen und Privatsammlungen gefunden. Die Zunft der Bildhauer muss zahlreiche Mitglieder besessen haben, denn gleichzeitig mit Angkor Vat wurden ja noch acht andere Tempel gebaut, die alle mit Statuen reich bedacht waren.
Für die Turmbauten, diese Phra Prang, verwendeten die Khmer ein sehr einfaches Vorbild. Um dieselben aufzuzeichnen, wurden zwei gleichlange Bambusruten verwendet. Man band sie oben zusammen, und je nach dem Zwischenraum der beiden Ruten, den man beliebig vergrößern konnte, entstand eine Form, die sie für ihre Aufrisszeichnungen verwendeten. Diese Kurven haben Ähnlichkeit mit einer Parabel, die nun als Grundform, gleich einer Grenze für alle vorspringenden Profile, diente. Und so entstanden Harmonien, die zeitlos Wirkten, als wären sie nicht Menschenwerk, sondern göttlichen Ursprungs.
Unabgeklärt bleibt die damalige Beziehung zwischen Volk und Tempel. Große Feste wurden hier abgehalten, doch wer den Zentralbau betreten durfte, das wissen Wir nicht. Bei vielen Tempeln sind Pförtnerhäuser. Große Tore bei den Brücken, auch Mauern und 'Wassergräben verhindern einen unkontrollierten Zutritt. War es nur der obersten Kaste vergönnt, den Mittelbau von Angkor Vat zu besuchen, oder waren allein Priester, buddhistische Mönche berechtigt, sich hier aufzuhalten? Nirgends ist ein größerer Raum, wo große Andachten abgehalten werden konnten; Angkor Vat ist somit nur zu Ehren einer Gottheit erbaut worden.
Die Priesterwohnungen lagen im Vorgelände, vielleicht da, wo heute zwei Klostersiedlungen entstanden sind. Da dieselben in Holz errichtet waren, sind sie längst vermodert. Die heutigen Mönche betrachten den Tempel auch nur als heilige Stätte und halten darin keine religiösen Kulte ab. (70).
Besonders interessant ist bei diesem Tempel, wie der Architekt die Spannung beim Besucher zu steigern weiß. Die Größe der ganzen Anlage ist außergewöhnlich, hat doch der Wassergraben, der das ganze Areal umgibt, eine Länge von 6 km. Hat man diesen grandiosen Aspekt aufgenommen, kommt die nächste Überraschung, das große Portal. Wo findet sich ein Portal von 250 m Breite, wie hinter diesem Wassergraben? Zugleich verdeckt dieser Bau den Haupttempel, so daß man voller Spannung durch das Tor schreitet. Nun erst wird der Blick frei : vor dem Besucher erscheint die prachtvolle Silhouette des .Eilauptbaues. Eine Tempelstraße, 350 m lang, führt zu diesem Heiligtum.
Noch streiten sich die Gelehrten über den tieferen Sinn von Angkor Vat; bis heute ist das Rätsel nicht gelöst, ob es sich hier um den Sitz einer Gottheit oder um die Grabstätte eines Königs handelt; alles bleibt noch im Dunkel und wartet auf die richtige Auslegung. Die neueste Forschung deutet auf Grabmal.
Jayavarman VII. nannte sich Gottkönig. Als Buddhist vollendete er den Bau und machte den Tempel zum schönsten Heiligtum. Im Jahre 1220 starb Jayavarman VII; vielleicht ruht seine Asche doch im größten hindu-buddhistischen Denkmal der Welt.
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