2. Im lande der Khmer

Unendlicher Wald überzieht den Osten von Siam sowie das angrenzende Land von Kambodscha. Wie eine riesige grüne Decke ist dieser Urwald. Für ihn gibt es kein Hindernis, er überwuchert mit seinem Baumdickicht einfach alles.

Nach seiner Rückkehr veröffentlichte er in Paris, was seine Augen gesehen hatten. So kam die Kunde von der verlassenen Tempelstadt Angkor in die Weltöffentlichkeit. weder in Siam noch in Kambodscha, nirgends wußte man bisher etwas von einer Tempelstadt Angkor, dem Königssitz des Khmervolkes.

Doch Mouhot war nicht der erste Europäer, der in Angkor war. Spanische und portugiesische Missionare sowie auch Engländer sollen vor ihm in Angkor gewesen sein. Ja sogar schon im 16. Jahrhundert waren Kapuzinermönche in Angkor, und Bernhard P. Groslier hatte solche schriftliche Überlieferungen, aus Spanien und Portugal, zusammengetragen. Diese Nachforschungen hat er in einem Buche veröffentlicht. Eine Fundgrube für ihn war das Manuskript von Diogo do Couto (1543--1616), dazumal portugiesischer (9) Beamter, der Hinterindien bereiste. Aber es ist Mouhots Verdienst, seine Entdeckung publiziert und die Archäologen in Frankreich auf diese geheimnisvollen Tempel aufmerksam gemacht zu haben.

Angkor lag damals auf siamesischem Boden. Erst im Jahre 1902 annektierte Frankreich einen großen Teil vom Östlichen Siam und verhalf Kambodscha zur jetzigen Größe. Dieser Staat bildete, zusammen mit Annam und Tonkin, die französische Kolonie Indochina. Durch die Landabtretung kam Angkor auf französischen Boden und somit auch unter französische Kontrolle.

Bereits hatte ein Export von Khmer-Plastiken in großem Umfang angefangen; Doch dieser Handel konnte nun unterbunden werden. Wissenschafter, Archäologen und Architekten kamen von Frankreich und mußten im Auftrag ihrer Regierung die Fundstätte untersuchen und aufzeichnen.

In Paris gründete man zur Erforschung von Angkor die «Ecole française de I'Extrême Orient», die hernach alle eingetroffenen Berichte veröffentlichte. Generös bewilligte der Staat große Mittel, um einige Tempelbauten von Bäumen und Gestrüpp zu reinigen, Straßen anzulegen und Bauwerke, die einzustürzen drohten, zu untermauern. Es hatte eine rettende ära begonnen, die Angkor wieder ans Tageslicht brachte.

Neben den Architekten, die Vermessungen vornahmen und Pläne anfertigten, leisteten auch die Archäologen eine Riesenarbeit. Heute wissen wir sehr viel über die Geschichte der Khmer; wir kennen alle Könige vom Beginn der Khmer-Dynastie im 7. Jahrhundert bis zu ihrem Untergang, 700 Jahre später. In Siem Reap wurde eine eigene Forscherstation unter dem Namen «Conservation» errichtet; alle Ausgrabungen wurden nun diesem Institut unterstellt.

Von der Größe der Tempelstadt macht man sich keinen Begriff. Etwa 25 Tempel sind heute auf guten Straßen im Auto zugänglich. Sie sind vom Urwald befreit und soweit instand gestellt, daß man ohne Lebensgefahr diese Bauten besichtigen kann. Weitere 25 Tempel sind auf Buschwegen aufzufinden. Noch sind sie meistens mit Unkraut überdeckt und nicht gereinigt. Eine große Zahl anderer Bauten sind noch im Urwald versteckt, unerforscht, sie warten auf ihre Befreiung. Offiziell wird ihre Zahl mit 60 angegeben, doch spricht man auch von etwa a 300 Ruinen, die im Kampf mit Urwald langsam untergehen.

Am leichtesten erreicht man Angkor per Flugzeug, entweder von Saigon via Phnom Penh oder von Bangkok aus. Auch per Bahn kommt man in die Nähe; doch die letzten 150 Kilometer müssen in diesem Fall per Autobus zurückgelegt werden. Sehr einfach läßt sich Angkor mit dem Auto erreichen, die Straßen sind ausgezeichnet, besser als die politischen Beziehungen zwischen den Nachbarländern.

Noch ist das Land der Khmer voller Rätsel. Wir wissen jedoch, daß vor 800 Jahren dieses Volk eine Blütezeit erlebte, die den Lebensstandard aller Nachbarvölker überflügelte. In der Hauptstadt Angkor Tom war ein unvorstellbarer Reichtum vorhanden. Künstlerisch und kulturell hat dieses Volk eine Höhe erreicht, die uns heute in Staunen versetzt. Und doch ist das Reich der Khmer untergegangen, von der ganzen umgebenden Welt vergessen. Unaufhaltsam kam der Urwald, deckte mit seiner grünen Masse alles zu und versuchte in den letzten 300 Jahren die großen Steinbauten zusammenzureißen, zu stürzen, dem Erdboden gleich zu machen.

Alle Holzbauten sind längst vermodert oder in Flammen aufgegangen. Nur die Steintempel blieben, als letzte Zeugen der großen Kultur der Khmer.

Diese Urwaldbäume reissen bei ihrem Stürze auch die Tempelbauten nieder.